Geschichte

Die Geschichte der Bruderschaft des hl. Fürsten Wladimir e.V.

Die Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir (Bratstwo) ist der älteste russische verein in Deutschland. Im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es in Deutschland immer mehr aus unterschiedlichen Gründen in materielle Not geratene russische Staatsbürger, von denen sich viele an die diplomatischen Vertretungen Rußlands um Hilfe wandten. Deshalb gründete der Vorsteher der Berliner Botschaftskirche, Erzpriester Alexios von Maltzew (1854-1915) im Jahre 1890 einen kirchlichen Wohltätigkeitsverein bzw. eine „Bruderschaft“ (russ.: Bratstwo) um den Notleidenden zu helfen. Auf Veranlassung des Metropoliten Isidor von St. Petersburg sah die Vereinssatzung eine Hilfe für russische Staatsbürger aller christlicher Konfessionen sowie für orthodoxe Christen mit beliebiger Staatsbürgerschaft vor. Zu diesem zwecke erwarb die Bruderschaft im Berliner Vorort Tegel ein Grundstück, auf dem sie einen russischen Friedhof mit einer Kapelle (1890), sowie das „Kaiser-Alexander-Heim“ (1895) errichtete, das über eine eigene Gärtnerei, eine Druckerei und zahlreiche Werkstätten verfügte, wo Notleidende für eine bestimmte Zeit Unterkunft erhielten und die Möglichkeit hatten, durch eigene Arbeit genug Geld für eine Rückkehr in ihre Heimat zu verdienen.
Die Bruderschaft stand unter der persönlichen Schirmherrschaft des Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch (des Bruders Zar Alexanders III). Zu ihren Mitgliedern zählten Persönlichkeiten wie die später heiliggesprochenen Geistlichen Feofan der Einsiedler, Nikolaus von Japan und Johannes von Kronstadt, die Großfürstin Elisabeth Feodorowna, Großfürst Pawel Alexandrowitsch und v. a. Der kaiserlich-russische Botschafter in Berlin galt ex officio als Vorsitzender der
Mitgliederversammlungen, während das Amt des Vorstandsvorsitzenden die jeweiligen Botschaftsräte innehatten: u.a. M. N. Murawjew (1890), N. V. Tscharykow (1893) und N. I. Bulacel‘ (1904).

Die Bruderschaft erfreute sich großer Unterstützung in der Gesellschaft und nahm neben ihrer Wohltätigkeitsarbeit in Deutschiand und Rußland (Spendensammlungen für Opfer von Mißernten, Versand von Geschenkpaketen an russische Kriegsgefangene in Japan, Unterstützung ihrer Familien, Hilfe für Waisen und Behinderte) auch die Errichtung von russischen Kirchen in Deutschland auf sich, namentlich in Berlin-Tegel (1895), Bad Homburg (1899), Bad Kissingen (1901), Görbersdorf (1901), Hamburg (1901/1902), Bad Nauheim (1908), Bad Brückenau (1908), Bad Wildungen (1912) und Danzig (1913). Der erhoffte Bau einer orthodoxen Kathedrale in Berlin konnte nicht mehr verwirklicht werden. Der Erste Weltkrieg 1914-18 und die russische Revolution 1917 beendeten jäh das „goldene Zeitalter“ der Bruderschaft. Erzpriester Alexios von Maltzew selbst verstarb 1915.

Viele Mitglieder der Bruderschaft wurden von den Bolschewisten ermordet, einigen jedoch gelang die Flucht ins Ausland, so auch nach Deutschland. Unter dem Vorsitz von Sergius Botkin, dem Vertreter der (weißen) russischen Regierung in Deutschland, dem Vorsitzenden des Russischen Roten Kreuzes und des Komitees für russische Flüchtlinge in Deutschland, wurde die Bruderschaft 1923 in Berlin als rechtsfähiger gemeinnütziger Verein wiederhergestellt.
Ohne die frühere Unterstützung aus der Heimat reichten die Mittel alerdings kaum noch für die Unterhaltung der bruderschaftseigenen Kirchen in Berlin-Tegel, Hamburg, Bad Kissingen, Bad Nauheim und Görbersdorf. Die Kirche in Bad Homburg war im Kriege mitsamt Pfarrhaus in den Besitz der Stadt überführt worden, die provisorischen Hauskapellen in Danzig, Bad Brückenau und Bad Wildungen mussten mangels Bedarf aufgegeben werden. Nach der Übersiedlung S. Botkins 1936 nach Paris wurde Generalmajor Nikolaus Globatscheff (der Vorsitzende der Vereinigung russischer Kriegsversehrter in Deutschland) Geschäftsführer des Vereins, während Fürstin Vera Konstantinowna zur Vorsitzenden gewählt wurde. Gehörten die Bruderschaftskirchen seit 1920 zur westeuropäischen Diözese des Metropoliten Ewlogij (Georgiewskij), so schloß die Bruderschaft 1938 über ihre Nutzung eine Vereinbarung mit der Deutschen Diözese der Russischen Auslandskirche.

Der Ausgang des Zweiten Weitkrieges veränderte in großem Maße die Lage der Bruderschaft. Der Vereinssitz in Tegel mit Kirche und Alexanderheim wurde bei den Kämpfen um Berlin im April 1945 stark beschädigt und geplündert und danach von den Besatzern der neuen Kirchengemeinde des Moskauer Patriarchats in Berlin übergeben. Der Geschäftsführer der Bruderschaft N. I. Globatscheff wurde im Mai 1945 in die Sowjetunion verschleppt, wo er 1946 im Gulag verstarb. Fürstin Vera Konstantinowna und der neue Geschäftsführer Baron Michael von Medem ordneten von Hamburg aus die Belange der Bruderschaft und ihrer Kirchen in Westdeutschland (BRD). Die Kirche in Görbersdorf in Schlesien befand sich nun auf polnischem Staatsgebiet und wurde von den Kommunisten zunächst in eine Leichenhalle und später in ein Wohnhaus umgewandelt.

Unter dern Vorsitz von Nikolaus von Guerard (1954-63) und Nikolaus von Fabricius (1963-67) kämpfte die Bruderschaft jahrelang um die Rückgabe ihres Besitzes in Berlin-Tegel. 1967 entschieden die deutschen Gerichte aller Instanzen endgültig, daß der Besitz an die Bruderschaft zurückzugeben sei, jedoch verhinderte die französische Besatzungsmacht auf Bitten der Sowjetregierung die Vollstreckung des Urteils. Ruiniert durch die jahrelangen Prozesse und ohne Hoffnung auf baldige Wiedererlangung des Besitzes, sah sich die Bruderschaft unter Vorsitz von Alexander Spakowitsch (1967-71) 1970 gezwungen, ein Angebot des Berliner Senats anzunehmen und das Grundstück an das Land Berlin zu verkaufen, freilich in der Hoffnung, es nach Wegfall des Besatzungsrechtes wiederzuerlangen. Die Nutzung von Kirche und Friedhof überließ der Senat weiterhin dem Moskauer Patriarchat, das historische Alexanderheim wurde jedoch 1975 abgerissen und sein Gelände in ein Gewerbegebiet umgewandelt. Unter Vorsitz von Leo von Seroff (1971-83) errichtete die Bruderschaft 1974 zwei Mietshäuser in Bad Kissingen, die seitdem die Haupteinnahmequellen des Vereins sind. Unter dem Vorsitz von Gleb Rahr (1983-2006) nahm die Bruderschaft in beschränktem Maße wieder eine Wohltätigkeitsarbeit in Form von Kinderhilfe in Rußland wieder auf und knüpfte ab 1990 Beziehungen zum Moskauer Patriarchat. G. Rahr belebte durch die Herausgabe des „Bratstwo-Boten“ auch die kirchliche Aufklärungsarbeit der Bruderschaft wieder. Unter dem Patronat der Bruderschaft konnte Erzpriester Eugeniusz Cebulski 1994 die Kirche in Görbersdorf (poln.: Sokolowsko) wiedereröffnen. Allerdings war man 1995 gezwungen, das unrentable Haus der Bruderschaft in Hamburg zu verkaufen und die dort befindliche Hauskapelle aufzulösen, deren Feldikonostase aus dem Siebenjährigen Kriege an das Moskauer Patriarchat übergeben wurde und 2007 in der neuen orthodoxen Kathedrale in Königsberg (Kaliningrad) ihren Platz fand. 2005 wurden der Bruderschaft schließlich ihre Kirche und der Friedhof in Berlin-Tegel zurückgegeben.

Heute leistet die Bruderschaft neben der Unterhaltung ihrer Kirchen und der Unterstützung der Diözese vor allem kirchliche Aufklärungsarbeit, Veranstaltet Vorträge und Benefizkonzerte und unterstützt bedürftige Kinder in Rußland.